05. Jun 2017 von Michel Doermer mit 0 Kommentar/en

Wie sich der BVB in die Krise kommuniziert – ein Lehrstück


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In Dortmund trägt sich ein Trauerspiel zu: Ein mit jungen Talenten und etablierten Profis gespickter Kader spielt unter einem Ausnahmetrainer nicht nur schönen, sondern erfolgreichen Fußball. Hinzu kommt eine Vereinsführung, jahrelang im Amt und mit allen Wassern des Sportmanagements gewaschen sowie eine großartige Fan-Gemeinde. Die Welt beim BVB könnte schöner nicht sein. Tatsächlich befindet sich Borussia Dortmund in einer Krise, die das Potential hat die Reputation des Vereins nachhaltig zu beschädigen.

Entscheidungen als Ursache, Kommunikation als Auslöser

Ursache der aktuellen Lage beim BVB sind zwei Entscheidungen der Vereinsführung. Die Rede ist von der Spielansetzung des Champions-League Viertelfinals gegen AC Monaco nur einen Tag nach dem Anschlag auf den Dortmunder Mannschaftsbus am 11. April und von der Entlassung des Trainers Thomas Tuchel. Nun ist es Aufgabe des Managements Entscheidungen zu treffen, und zwar auch dann, wenn sie schwierig oder umstritten sind. In diesem Beitrag geht es nicht um Kritik an den Entscheidungen, auch nicht um Fußballexpertise, sondern um die Analyse und Bewertung der begleitenden Kommunikation im Kontext der Entscheidungen.

Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, hat die Entscheidung der Spielansetzung gegen den AC Monaco am 11. April unter anderem damit legitimiert, dass Spieler keine Einwände gehabt hätten. Zudem hat er den Trainer Thomas Tuchel öffentlich dafür gerügt, dass er ebendiese Spielansetzung kritisiert hat. Nun berichtet die Wochenzeitung Die Zeit, dass sich fünf Spieler, darunter der Publikumsliebling Marco Reus, sehr wohl gegen die Spielansetzung ausgesprochen hatten. Da wirkt es hilflos, geradezu haarspalterisch und rechthaberisch, wenn Watzke seinen Pressesprecher mit der Erklärung vorschickt, er hätte sich damals auf Spieler bezogen, die im Kader standen. Denn Reus – der damals wegen einer Verletzung nicht im Kader stand – hatte seine Bedenken im Namen der Mannschaft geäußert.

Vertrauen und Glaubwürdigkeit verspielt

Es erscheint unerklärlich, wie ein so erfahrener Manager wie Watzke leichtfertig seine Glaubwürdigkeit ruiniert. Indem er Spieler instrumentalisiert, um die umstrittene Spielansetzung zu legitimieren, macht er mindestens vier grobe Kommunikationsfehler: Erstens hat er diese Behauptung ohne Not aufgestellt. Zweitens wider besseren Wissens. Drittens setzt er das Vertrauen der Mannschaft in die Vereinsführung aufs Spiel, denn als Reus seine Einwände vorbrachte, waren Mannschaft und Betreuer anwesend. Viertens muss Watzke wissen, dass immer etwas nach draußen dringen kann.

Wie wäre es bei der Kommunikation um die Entscheidung der umstrittenen Spielansetzung mit Empathie gewesen? Welchen Zacken hätte sich Watzke aus der Krone gerissen, zu sagen, die Entscheidung war diffizil, in einer absoluten Ausnahmesituation getroffen, unter extremen Zeitdruck, wenige Stunden nach dem Anschlag? Er hätte Verständnis für Kritik äußern können. Und betonen, dass auch Manager Menschen sind, die zwar Entscheidungen fällen müssen, aber nicht unfehlbar sind. Eine derartige Kommunikation bietet Angriffsfläche für Kritik. Aber so ist das nun mal in kritischen Situationen: die perfekte Kommunikation gibt es nicht. Allemal wäre das die bessere Option gewesen, als Glaubwürdigkeit und Vertrauen zu ruinieren.

Die zweite Entscheidung ist die Entlassung des Trainers Thomas Tuchel. Wenige Stunden nach der Entlassung hat Watzke einen offenen Brief veröffentlicht. In diesem Brief spricht er Tuchel Führungsqualitäten ab. Tatsächlich stellt sich die Frage, ob dieses Nachtreten nicht gewisse Lücken beim Absender offenbart. Auf dem Fußballplatz gibt es für grobes Foulspiel die rote Karte. In der Kommunikation spricht eine derartige Stillosigkeit für sich. Welche Kommunikation wäre im Bezug auf die Trainerentlassung besser gewesen? Stillschweigen ist branchenüblich, in ähnlichen Situationen vielfach bewährt und in Ordnung.

Verkettung der Ereignisse selbst verschuldet

Eine Fußball-Weisheit lautet: „Hast Du Sch… am Fuß, dann hast Du Sch… Fuß.“ In der PR ist dieses Phänomen bekannt. Blöd, dass Watzkes offener Brief und der Bericht über Reus in der Wochenzeitung Die Zeit in weniger als 24 Stunden veröffentlicht wurden. Gravierender aber ist, dass Watzke selbst für eine Verkettung der Ereignisse durch unprofessionelle Kommunikation gesorgt hat. Die verkehrte Instrumentalisierung der Spieler, die Entscheidung der Spielansetzung zu legitimieren, schwächt das Vertrauen der Mannschaft in die Vereinsführung, umso mehr, als Teile der Mannschaft die Entlassung des Trainers kritisch sehen. Kein Wunder, das BVB-Sportdirektor Michael Zorc im Sportmagazin kicker nun das Ziel „Ruhe im Karton“ ausruft. Offensichtlich ist nicht nur die Mannschaft gespalten, sondern auch die Fangemeinde. Dabei war es der BVB, der wiederholt Öl in dieses Spaltfeuer gegossen hatte, wurde doch seit Wochen kolportiert, Teile der Mannschaft stünden nicht hinter dem Trainer.

Für Journalisten ist das Dortmunder Trauerspiel eine Goldgrube. Die Logik des Medienmarktes sorgt dafür, dass wir erst einen Akt gesehen haben. Denn viele Fragen sind offen und im Sommerloch braucht es Geschichten. Zugleich sieht es nicht danach aus, dass der BVB eine PR-Strategie der Zurückhaltung verfolgt. So wird etwa im aktuellen Spiegel munter weiter drauflos kommuniziert. Wenig zu hören ist noch von den Aktionären des BVB. Sollte aber die Spaltung in Mannschaft und Umfeld nicht schleunigst überwunden werden, könnte das Folgen für den sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg haben. Spätestens dann hätte Achim Watzke nicht nur ein Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsproblem, sondern auch eins mit den Investoren.

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